Suche

Nachrichtenansicht

16.04.2019 Kategorie: Gemeindeleben

Passionsandacht

Thema: Vom Ersten und Letzten

Passionsandacht Montag,16. April

In den nächsten Tagen ist es wieder soweit: Papst Franziskus wäscht in seiner traditionellen Gründonnerstagsmesse zwölf aus einer Randgruppe ausgewählten Personen symbolisch die Füße. Letztes Jahr waren es Insassen eines Hochsicherheitstrakts, in den Jahren davor Jugendliche aus einem Jugendgefängnis uns Asylsuchende. Ein Zeichen soll diese Zeremonie sein, ein Zeichen der Liebe und Demut: ihr seid nicht vergessen, und ich, der Papst, bin mir nicht zu schade, euch, die viele Menschen fürchten oder verachten, die Füße zu waschen. Jesus hat es so gemacht und ich tue es auch.

 

„Ist das nicht aus der Zeit gefallen?“, so habe ich mich gefragt. „Hier wird doch aus einem altorientalischen Brauch  eine Show gemacht, peinlich für beide Seiten.“ Und ich war dann überrascht, als ich das Video dieser Zeremonie vom letzten Jahr gesehen habe. Da wird niemand zur Schau gestellt, das ganze läuft mit großer Würde ab.                           Der Papst strahlt ehrliche, herzliche Zuneigung aus, die Gefangenen wirken nicht wie Bedürftige. Sie sind angemessen gekleidet, ihre Füße sauber und sie beschenken am Ende der Zeremonie das Oberhaupt der katholischen Kirche mit eigenen, im Gefängnis hergestellten Gegenständen. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen und Papst und Gefangene gehen als Beschenkte wieder zurück.

 

Hier wird eine Grundidee des Christentums gelebt: vor Gott gelten unsere menschlichen Maßstäbe nicht, ja mehr noch, er dreht sie um und stellt sie auf den Kopf. „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.“ So singt schon Maria, die Mutter des noch nicht geborenen göttlichen Kindes. Und Jesus selbst lehrt seine Jünger:

„Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“

 

So berührt Jesus Aussätzige, setzt sich mit Außenseitern der damaligen Gesellschaft an einen Tisch und wäscht selbst kurz vor seinem Tod seinen Jüngern die Füße. Und am Ende stirbt der, in dem Menschen Gott erlebt und erfahren haben, am Kreuz wie ein Verbrecher.  Wer Gott nahe sein will, so müssen die Jünger schmerzlich lernen, muss bereit sein, auf menschliche Vorstellungen von Größe zu verzichten. Ihr Platz ist da, wo Armut und Elend herrscht, wo Kinder hungern, Kranke leiden und Flüchtlinge im Meer ertrinken.

Diese Bild des leidenden Diener Gottes kennt auch schon das erste Testament. Auch hier wird von einem Knecht Gottes erzählt, der ganz anders ist, als die Menschen sich einen Diener Gottes vorstellen. Nicht mit Prunk oder Insignien der Macht ausgestattet, sondern elend und leidend, für das Volk und die Menschen, stellvertretend für sie, um den vielen, die Leid und Schuld tragen, ein Stück ihrer Last abzunehmen.

 

Bei Jesaja steht geschrieben:  „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen … Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“

 

Dem Gott der Bibel zu dienen bedeutet, nicht nach dem zu schielen und zu streben, womit menschliche Herrscher sich oft gerne umgeben – großspurige Auftritte, teure Autos, jubelnde Menschen, eine gefällige Presse oder Preise und Orden.

„Er war der Allerverachtenste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit.“

Das letzte Bild, das die Jünger von Jesus gesehen haben, war ein zerschundener Körper, als Verbrecher am Kreuz zur Schau gestellt.

 

Es ist ein Bild, das es schwer hat, zu uns heute durchzu-dringen. Das Kreuz ist selbstverständlich geworden, es ist Schmuckstück, Kulturgut, Herrschaftszeichen, der leidende Gott kein Aufreger mehr. Bis, ja, bis Gott auch unsere Pläne oder Vorstellungen vom Leben durchkreuzt. Da ist dann das schwerkranke Kind in der Nachbarschaft und Gott hilft nicht. Da war die Naturkatastrophe in Indonesien und Gott hat die Wellen nicht aufgehalten. Der schwache Gott, der auf Macht verzichtet, mutet sich auch uns zu und fordert uns heraus.

 

„Wo bist du, Gott? Ach, fahre vom Himmel herab und schlage darein.“ So wünschen wir uns immer wieder und hadern damit, dass es nicht geschieht. Wir wollen keine Knechte sein oder für andere leiden, wir wollen auch nicht schwach wirken. Im Gegenteil, wir verachten die, die versagen, die es nicht aus eigener Kraft schaffen. Der Schatten des Kreuzes ist nicht der Ort, an den wir uns wünschen. Viel lieber möchten wir uns sonnen im Licht des göttlichen Herrschers, der alles Leid von der Erde fegt.

 

Die Vorstellung von Gottesknecht und Menschensohn bleiben eine Zumutung und Herausforderung, auch für uns. Dieses Bild Gottes anzunehmen, mit dem Herzen und der Seele zu bejahen, heißt, die Welt als unvollkommen anzunehmen, sich einzugestehen, dass es nicht für alles eine Lösung gibt. Es  bedeutet, dass es auch in meinem Leben Punkte geben wird, an denen ich scheitern werde – und es heißt, im Scheitern an Gott festzuhalten.

 

Denn genau da will er sich finden lassen: wo Menschen schwach sind und leiden, wo vieles nicht gelingt. Da, wo es mir selber schlecht geht und ich bei weitem nicht das schaffe, was ich gerne tun würde. Er ist da im Schatten, im diffusen Nebel meines Alltags. Er ist neben mir, bereit meine Hand zu nehmen wenn ich sie ausstrecke, ganz nah, ein Mensch eben zum Anfassen.

 

Und doch Gott, bereit, mich zu trösten, mir Mut zu machen: hab keine Angst, ich bin ja da, gemeinsam können wir es schaffen.

Lass dich nicht unterkriegen, ich weiß, wer du bist und was du kannst.

 

Gern erinnere ich mich an Vera Fabig, viele von ihnen kannten sie auch. In ihrer letzten Zeit ging es ihr nicht gut, sie war gestürzt, musste häufiger ins Krankenhaus. Als ich sie wieder einmal besuchte, wirkte sie zufrieden und erzählte, dass es ihr gerade gut gehe. „Weißt du“,  sagte sie damals so oder ähnlich formuliert, „es heißt ja immer, Gott verhindert Leid nicht, aber er hilft, es zu tragen.  Das mag jeder halten, wie er will, aber ich glaub‘ daran.“

 

Das ist es, nicht mehr und nicht weniger: der leidende Gott an unserer Seite – Halt und Trost und ein Grund, allen eigenen und fremden Zweifeln immer wieder ins Gesicht zu lachen!

Na und?   Trotzdem!    Amen

 

Foto: Hashash

Beitrag von Bärbel Jacobs/Silke Cohn-Globisch