Heute entdecke ich beim Spazierengehen einen Löwenzahn. Gelb leuchtet sein Strahlenkranz, grün und saftig streben seine gezackten Blätter nach oben, der Sonne entgegen. Noch hat er keine Fallschirme entwickelt, die vom Winde verweht würden. Doch wo ist sein Standort? Erstaunen ergreift mich. Mein Löwenzahn hat sich zwischen zwei Gehwegplatten hervor gezwängt: zielstrebig, stark und unerschütterlich im Glauben, Licht und Freiheit zu finden! (Karin Hartz-Hellemann)
Psalm einer Pusteblume von Herbert Herberg (Auszüge)
Ich wachse auf Wiesen und an Straßenrändern, auf Müllplätzen und in Gärten.Mein Platz ist da, wo ich wachse und blühe.
Ich danke Dir, Herr, dass ich überall Heimat finde.
Ich suche die Nähe der Pflanzen und Tiere, denn ich bin nicht gern allein. Mit Gräsern, mit Hahnenfuß, mit Gänseblümchen und Klee, mit Stiefmütterchen und Vergissmeinnicht teile ich den Himmel und die Erde, das Wasser, die Luft. Es ist schön, mit anderen zu wachsen.
Ich danke Dir, Herr, für die Gemeinschaft der Pflanzen und Tiere.
Ausreißen lasse ich mich nicht leicht, denn meine Wurzeln sind stark und tief. Darin liegt das Geheimnis meiner Kraft: Standzuhalten vermag nur, wer tief verwurzelt ist.
Ich danke Dir, Herr, für den Grund der Erde.
In Blumensträußen bin ich selten zu finden, zum Welken in der Vase bin ich nicht geboren. Ich liebe die Freiheit mit Sonne und Wind, mit Schmetterlingen und Gräsern, Wolken und Regen.
Ich danke Dir, Herr für das Leben in der Natur.
Wer blüht, verblüht, muss welken. Ich sträube mich nicht dagegen, nehme das Welken an und lass mich zu neuem Leben verwandeln.
Ich danke Dir, Herr, für das Alt- und Neuwerden.
Meine goldgelbe Blüte verliert ihren Schein, ich verschließe mich und warte still auf den Weckruf der Sonne, um mich als Pusteblume neu zu entfalten.
Ich danke Dir, Herr, dass ich warten kann.
Jeder Fallschirm soll eine neue Pusteblume werden, an ihrem Platz, nach ihrer Art. Ich halte keinen fest und springe keinem nach.
Ich danke Dir, Herr, dass ich loslassen kann.
Nach diesem Psalm passt das Lied EG 503, „Geh aus mein Herz“ ganz wunderbar: Ihre Lieblingsstrophen!