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15.04.2019 Kategorie: Gemeindeleben

Passionsandacht

Thema: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?

Montag 15. April Liebe Gemeinde,
Sie haben in ihrer Kindheit bestimmt auch mit ihren Freunden Verstecken gespielt. Man bemühte sich immer, ein Versteck zu suchen, in dem einen garantiert niemand fand. Und nach einer gewissen Zeit kam man mit stolz erhobenem Kopf aus dem genialen Versteck.

Wenn am Anfang der Bibel erzählt wird, dass sich Adam und Eva im Garten Eden verstecken, dann tun sie das nicht, weil sie so gerne Verstecken spielen, sondern weil sie sich in Grund und Boden schämen über das, was sie gerade eben getan haben. Sie haben von der verbotenen Frucht des Baumes gegessen, die die Schlange hinterlistig angeboten hatte.

Sie haben nicht nur etwas, nein, sie haben alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Sie haben ihre Beziehung zu Gott aufs Spiel gesetzt, indem sie selbst sein wollten wie Gott. Und sie können nun nicht mehr in selbstverständlicher Weise mit ihrem Schöpfer und Erhalter umgehen.

Sie haben eine Grenze überschritten, die zu ihrem eigenen Schutz aufgerichtet war. Sie haben die gute Ordnung Gottes missachtet, die ihnen ein Leben in unbeschwerter Freiheit ermöglicht hatte. Kein Wunder also, dass sich Adam und Eva den Blicken Gottes entziehen möchten. Sie möchten wirklich nicht gefunden werden.

Dass sich der Mensch vor Gott versteckt, dass er mit dem, was er so treibt, im Dunkeln bleiben möchte, das scheint also der Normalfall zu sein:
Da ist ein Betrug so raffiniert eingefädelt,dass er selbst bei einer routinemäßigen Kontrolle nicht auffällt. Die Lüge soll ein Versagen überdecken oder ein Familiengeheimnis kaschieren, damit es ja nicht ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird.

Ein eigenes Fehlverhalten wird verschwiegen oder auf andereabgewälzt, nur weil man sich selbst keine Blöße geben möchte. Die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen. Immer geht es darum, dass etwas im Dunkeln bleiben soll, dass etwas versteckt wird, um nicht gesehen zu werden.

Für die Bibel ist dabei ganz klar: Wer so viel auf dem Kerbholz hat, dass er im Dunkeln bleiben muss, der kann sich zwar einreden, dass er auch aus eigenen Stücken wieder ans Licht kommen kann, in Wahrheit aber hat längst die Dunkelheit nach ihm gegriffen und lässt ihn nicht mehr los. Der Mensch muss sein Dasein jenseits von Eden fristen und wandelt in Finsternis und wird auch am Ende in Finsternis bleiben.

Doch Gott gibt seine Menschen nicht auf. Er sucht sie und ruft nach ihnen: "Adam, wo bist du?" Das ist die ultimative Chance. Jetzt die Finsternis hinter sich lassen und ins Licht treten - und alles wird wieder gut. Klar, so einfach ist das im Leben oft nicht. Da ist der Mensch so sehr in sich selbst verstrickt, dass er den Ruf Gottes an ihn gar nicht mehr wahrnimmt. Der alte Adam hätte doch einfach nur sagen müssen: "Hier bin ich. Ja, ich habe Mist gebaut. Kannst du mir noch einmal verzeihen?" -

Und Gott hätte ihm verziehen, wie könnte er es auch nicht?
Das ist ja das große Geheimnis Gottes, dass er immer wieder und immer noch verzeiht. Dass er den Sünder mit offenen und liebenden Armen aufnimmt, auch wenn der sich selber am wenigsten von allen noch leiden mag. Auch wenn es gegen jede Vernunft ist.

Gott gewährt so viele zweite Chancen, dass man nur den Kopf schütteln kann. Adam hätte nur sagen müssen: "Ich war es!" - und alles wäre wieder gut geworden. So wie es im Leben wieder gut wird, wenn wir mit dem, was wir auf dem Kerbholz haben, ans Licht treten und uns vor Gott aussprechen. Aber statt dessen schiebt er die Schuld auf andere.
"Die Frau, die du mir beigestellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen."
Und so bleibt er in der Dunkelheit und verstrickt sich immer mehr in ihr.
"Adam, wo bist du?" Das ist die Frage, die seit damals im Raum steht. Die Frage, ob du, Mensch, in deinem Leben am richtigen Platz bist, nämlich dort, wohin du gehörst: an Gottes Seite. Es ist eine bohrende Frage, manchmal anklagend, manchmal nervend, aber doch eigentlich immer voller Liebe und Sehnsucht nach uns Menschen, weil Gott nicht ohne uns sein möchte.

Klar, das ist eine steile theologische Behauptung, von der man manchmal die böse Ahnung haben dann, dass sie wie ein ungedeckter Scheck einfach platzt. Man möchte den Scheck einlösen,man möchte darauf vertrauen, dass es so ist, aber dann dreht sich die Frage einfach um.
Nicht mehr: "Adam, wo bist du?", sondern "Gott, wo bist du?" lautet dann die Frage, die drängend und bedrängend wird.

Nicht nur der Mensch versteckt sich - vor anderen, vor sich selbst, vor Gott. Es gibt auch die andere Seite, an der man im Leben womöglich noch mehr zu knabbern haben kann: Auch Gott kann sich nämlich verstecken. Und auch das ist Dunkelheit.
Martin Luther hat sie die verborgene, die abgewandte Seite Gottes genannt. Es ist diejenige Seite Gottes, die ich nicht verstehen kann, die mir unheimlich vorkommt. Die dunkle Seite Gottes. Die erfahren wir immer dann, wenn wir in der Anfechtung stecken, wenn uns wie aus dem Nichts ein Unglück ereilt, wenn wir plötzlich vor einem Scherben-haufen stehen und gar nicht den Grund dafür wissen. Wenn wir nach Gott rufen, aber keine Antwort hören, wenn wir schließlich der Meinung sind, Gott ist gar nicht da.
Eine jüdische Weisheit sagt: Gott versteckt sich in der Tat manchmal. Aber er tut es nur, damit er gefunden wird. Wenn Gott sich versteckt, dann möchte er, dass wir nach ihm suchen und ihn finden. Beim ersten Hören klingt das irgendwie gemein. Warum sollte Gott es uns so schwer machen wollen? Haben wir nicht schon genug damit zu tun, unser Leben zu meistern? Und dann macht uns Gott unser Leben noch unnötig kompliziert damit, dass er sich uns entzieht, wo wir gerade besonders dringend seine Hilfe und Nähe bräuchten? Beim zweiten Hören allerdings kann noch ein anderer Aspekt auf das Sich-Verstecken Gottes in den Blick kommen, nämlich, dass es so sein muss.
Dass es vielleicht gar nicht anders geht. Nicht, weil Gott so ist, sondern weil der Mensch so ist.

Erst wenn etwas nicht mehr da ist, schätzen wir es wert. Gott entzieht sich uns, damit wir den Verlust spüren. Gott versteckt sich vor uns, damit wir nach ihm suchen. Das Suchen Gottes setzt eine Sehnsucht voraus, eine Ahnung davon, dass ohne in dem Leben das Entscheidende fehlt! Das Suchen Gottes setzt eine Leerstelle voraus, die durch nichts anderes gefüllt werden kann als nur mit Gott selbst. Man wird diese Leerstelle erst spüren müssen, manchmal sogar schmerzlich, um sich auf die Suche zu machen.

Denken wir nochmal ans Versteckspielen von Kindern: Da liegt der Reiz nicht nur im geschickten Verstecken, so dass manmöglichst lange unentdeckt bleibt. Es liegt auch ein großer Reiz darin, anderen auf die Schliche zu kommen, ihre Fährte aufzunehmen, jedem noch so kleinen Hinweis zu folgen und sie schlussendlich in ihren Verstecken aufzuspüren. Solches Suchen erfordert allerdings ganze Konzentrationund ungeteilte Aufmerksamkeit. Solches Suchen benötigt auch ein gewisses Durchhaltevermögen. Auch bei der Suche nach Gott ist das so.

Auf solches Suchen aber hat Gott seine Verheißung gelegt. Im Buch des Propheten Jeremia steht geschrieben: Ihr werdet mich suchen und finden, denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.
Es ist schon seltsam, Gott und Mensch verstecken sich voreinander. Der Mensch tut es nur, um Gott aus dem Weg zu gehen.
Gott tut es nur, damit der Mensch sich ihm ganz zuwendet. Am Ende werden beide gefunden und kommen endlich wieder zusammen: der menschensuchende Gott und der gottsuchende Mensch.

Die Wochen der Passionszeit sind eine gute Gelegenheit, neu auf die Suche nach Gott zu gehen. Es gibt so viele Orte und Wege, ihn zu entdecken und zu finden: Beim Besuch eines Gottesdienstes, beim Lesen der Bibel, im Gebet oder in der Stille. Manche Menschen nehmen auch eine spgenannte Auszeit in einem Kloster, um sich mit einem Lebensthema ganz bewusst und gezielt auseinander-zusetzen, um wieder ins Spüren zu kommen, um diese Ahnung wieder in sich wach werden zu lassen, dass wir Menschen eine Leerstelle in uns haben, die nur Gott füllen kann.
Und so bitten wir: Herr, gib allen, die dich suchen, dass sie dich finden, und allen, die dich gefunden haben, dass sie dich aufs Neue suchen, bis all unser Suchen und Finden erfüllt ist in deiner Gegenwart. Amen


Foto: Hashash

Beitrag von Bärbel Jacobs/Silke Cohn-Globisch